Kleine Irrungen zum Urheberrecht.

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In der allseits beliebten Kleinen Zeitung konnte ein Redakteur nicht an sich halten (oder es musste kurz vor Redaktionsschluss noch eine Kolumne befüllt werden, an deren Stelle begreiflicherweise niemand ein Inserat plazieren wollte) und sonderte am 16. April zu einem aktuellen Thema einen „Denkzettel“ ab. (Ein Denkzettel von der „Kleinen“, da wird sich die Welt da draußen aber fürchten!)

Gegenstand: Besetzungsfragen in einer TV-Serie, in dem eine bestimmte Rolle – ur-woke, aber völlig werk- und sinnwidrig – von einem farbigen Schauspieler übernommen werden soll. Nach Auffassung der „Kleinen“ geht es um nichts als um den „alten Streit um die Hautfarbe“. Natürlich falsch. Es geht um Werktreue und Respekt gegenüber dem Urheber. Aber bitte.

Das Aufbegehren der kleinen Kunst-Revoluzzer liest sich fast wie die Frage: „Wo steht denn geschrieben, daß Othello ein Schwarzer war?“ (Schon im Titel, Averell.) Schön, dann machen wir aus dem Mohren eben einen … Chinesen? Eskimo? Steirer? Man wird dann zwar rasch feststellen, daß das Stück nicht mehr funktioniert – aber was soll‘s! Der billigen Provokation sei‘s geopfert.

Nun sollen hier nicht die Eiterungen politischer Korrektheit beleuchtet werden, die schon lange das Maß des noch Genießbaren überschreiten, so wie weiland in Kenneth Branaghs unerträglichem „Mord im Orientexpress“, wo die Besetzung von Farbigen in Komparserie, Neben- und Hauptrollen durch das vor sich hergetragene politische Glaubensbekenntnis der Produktion beim dargestellten historischen Hintergrund zur reinen Geschichtsfälschung wird. (Die verantwortlichen bekennenden Antirassisten haben scheinbar auch nach Jahrzehnten nicht verstanden, daß es nebbich wiederum nur Rassismus ist, wenn man Rollen mit Menschen besetzt, gerade weil sie farbig sind. Sei’s drum.)

Der Wille des Uhrhebers.
Wenn ein Urheber (Autor, Künstler, Komponist) ein Werk in die Welt setzt, so darf vorausgesetzt werden, daß er sich etwas dabei gedacht hat. Das Urheberrecht schützt diesen Willen des Urhebers. Dabei verbietet das Urheberrechtsgesetz zwar nicht, geschützte Werke nach Gusto zu bearbeiten oder gar zu entstellen, aber das bearbeitete Werk darf dann ohne Zustimmung des Urhebers zumindest nicht verbreitet, vervielfältigt oder verkauft werden (s.a. § 21 Urheberrechtsgesetz).

Den Einwand, daß es bei diesem Schutz nur ums Geld geht, lasse ich nicht gelten. Der Autor wird vom Gesetz davor geschützt, daß sein Werk, wenn damit schon durch Bearbeitung Schindluder getrieben werden kann, in bearbeiteter Form ohne seine Zustimmung wenigstens nicht auch noch verbreitet wird. Letztlich steht ja der Autor mit seinem Namen für den Werkinhalt gerade. (Das zeigt sich schon daran, daß die seit den 1970ern geistig halbseitig gelähmte Regie gerade mit den Namen der Originalautoren und deren Werktiteln hausieren geht: So steht ja auf dem Theaterzettel nicht „Szenische Entgleisungen des Regisseurs xy, nach verstümmelten Motiven eines Klassikers“, sondern „Friedrich Schiller – Kabale und Liebe, in einer Inszenierung von xy“… Das ewige Schicksal derer, die mit zwei linken Händen – und Hirnhälften – hilflos den Werken der Meister und Könner gegenüberstehen und selbst nichts schaffen können, was auch nur einen Hund hinterm Ofen hervorholen würde: Also muß fremdes Gedankengut gekapert werden, am besten, wenn Autor und Werk einen marktgängigen Namen haben.)

Nun war es über Jahrhunderte Konvention, mit dem geistigen Erbe der Väter halbwegs respektvoll umzugehen, und diese Konvention schützte die Werke der Klassiker vor Entstellung. Dieser angeborene Respekt vor Werk und Urheber sorgte für das, was kein Gesetz je hätte gewährleisten können. Es wäre ja auch niemand auf die Idee gekommen, sich allzu sehr gegen den Autorenwillen zu versündigen, weil man Weiland noch genügend Hirn hatte um zu verstehen, daß sich der Autor bei Werkschaffung eben durchaus etwas gedacht hatte. Nach feierlicher Entsorgung des Respekts durch die 68er-(De)Generation und ihre Enkel ist es heute das Urheberrecht, das die Autoren vor den Auswüchsen derer, die das nicht respektieren wollen, schützt – wenn auch nur auf Dauer der Schutzfrist.

Interessant ist übrigens, daß der unartikulierte Ruf in der Art „Dem Autor sein Werk gehört uns alle“, verbunden mit der Ansicht, daß man deshalb damit nach Gusto verfahren könne, ausgerechnet am lautesten von jenen tönt, die sich sonst gegen kulturelle Aneignung (a propos: Wann gibt Ellis Marsalis den Weißen endlich das Klavier zurück?) aufpudeln.

Wer geistiges Eigentum (wie wahrscheinlich überhaupt jegliches Eigentum) nicht respektiert, kann und will nicht verstehen, daß das Urheberrecht ein Persönlichkeitsrecht ist, daß auch ein Autor einen freien Willen hat – und daß dieser Wille die urheberrechtliche Schutzfrist überdauert.

Durch diesen hohlen Gasser muß er kommen…
Man kann nun nicht verlangen, daß eine Kleine Zeitung, die speziell vor Ostern in ihrer gewohnten Schizophrenie zwischen Kreuzlstickerei und Klassenkampf irrlichtert, solche Zusammenhänge versteht. Kein Wunder, daß der zuständige Redakteur (oder sein entsprechend programmierter Chatbot) deshalb im Namen der Kleinen Zeitung den Willen des Urhebers rotzig* als – Zitat – „identitätspolitischen Vollholler“ (wer kommt auf solche mixta composita?) bezeichnen darf. Das ist nur verständlich. Beim Verbreiten von Vollholler – insbesondere von identitätspolitischem – wünscht die Kleine Zeitung keine Konkurrenz.

* Ich wollte schreiben „trotzig“, aber die knappe Zeit erlaubte keine Korrekturen.

20. April 2025
MS