Im Anwaltsblatt 6/2025 erschien eine interessante Abhandlung über die Frage, ob eine bestimmte Sorte von Aufforderungsschreiben in Besitzstörungsangelegenheiten nicht den Tatbestand der Erpressung erfüllen könnte. Nämlich Aufforderungsschreiben jener Art, in denen kein bloßer Kostenersatz, sondern eine Art Ablöse dafür verlangt wird, daß der im Besitz Gestörte nicht zu Gericht geht. In solchen Schreiben fehlt natürlich nie der Hinweis, daß ein Gerichtsverfahren wesentlich teurer kommen würde als die verlangte Ablöse.
Eine wirkliche Besitzstörung ist etwas Lästiges, etwa wenn einem ein PKW die Hauseinfahrt blockiert oder einen Privatparkplatz verstellt. Wer nun in seinem ruhigen Besitz gestört wird, kann sich natürlich zur Wehr setzen und hat ein Recht auf Ersatz der damit verbundenen Vertretungskosten (die nach dem RATG für ein Aufforderungsschreiben samt Ausforschungskosten unter EUR 200,00 liegen). Man hat aber kein Recht auf eine willkürlich festgesetzte Strafzahlung oder Ähnliches.
Wer gegen eine Besitzstörung klagt, hat es oft leicht, weil die Rechtsschutzversicherungen auf Klägerseite oft Kostendeckung gewähren, die beklagten Besitzstörer aber niemals Rechtsschutzdeckung bekommen. Und das ist natürlich ein weiterer Grund, warum sich viele tatsächliche oder mutmaßliche Besitzstörer schon allein wegen des Kostendrucks auf irgendwelche Vergleiche einlassen.
Im Rechtspanorama der Presse hat nun ein Kollege Dr. Seeber kürzlich die Meinung vertreten, daß Ablöseforderungen bei Besitzstörungen – daß man dem Gegner also den drohenden Besitzstörungsprozess „abkaufen“ kann – durchaus zulässig sein können (Artikel hinter der Bezahlschranke). Erstens: mit diesem Dr. Seeber bin ich nicht identisch; zweitens gehe ich mit seiner Meinung nicht konform. Nämlich deshalb nicht, weil solche „Ablöseangebote“ niemals seriös sind. Sie kommen ja auch in den seltensten Fällen von Leuten, die nur einmalig in ihrem Besitz gestört wurden, sondern von solchen, die aus laufenden Besitzstörungen Kapital schlagen wollen. Und hier kommen die notorisch überlasteten Gerichte ins Spiel.
Rein rechtlich ist jede tatsächliche Besitzstörung gleich zu behandeln. Wenn sich bei Gericht allerdings die Besitzstörungsklagen bestimmter Kläger häufen, so sollte sich das Mitleid mit den überlasteten Gerichten in Grenzen halten. Warum? Wo nämlich Grundstücksbesitzer sehr wohl Zeit, Muße und Geld haben, um die Parkplätze laufend zu kontrollieren oder für die Überwachung z. B. eines Parkplatzes eine Videoüberwachung zu installieren und diese auch noch laufend auszuwerten – aber angeblich nicht in der Lage sein wollen, ihre dermaßen bedrohten Parkplätze einmal gut sichtbar zu kennzeichnen oder auszuschildern, dort drängt sich der Verdacht eines Rechtsmißbrauchs auf. Und dies ganz besonders dann, wenn sich solche „gestörten Besitzer“ (diese etwas doppeldeutige Formulierung stammt nicht von mir) von den Störern die drohenden Besitzstörungsverfahren teuer ablösen lassen wollen.
Wo es in solchen Fällen tatsächlich zu einem gerichtlichen Besitzstörungsverfahren kommt, so wäre hier einmal der Schikaneeinwand zu erheben, und die Gerichte müßten diesen Einwand auch endlich aufgreifen. Wäre es nicht Zeit, „Dauerkundschaften“, die wie die sprichwörtliche Spinnerin im Netz darauf warten, daß wieder einer in die Falle des schlecht oder gar nicht ausgeschilderten Privatparkplatzes tappt, endlich einmal in die Schranken zu weisen?
Nochmals: wirkliche Besitzstörungen sind kein Spaß, und das Vorgehen dagegen im Klagsweg ist natürlich zulässig. Wo sich dies aber häuft (und gar ein Geschäftsmodell dahinter vermutet werden kann), dort müßten die Gerichte eben einmal ein Exempel statuieren – oder sie mögen weiterhin unter der Last serienmäßiger Besitzstörungsverfahren ächzen.
Stand: 04.07.2025
MS