Urheberrecht: Zugangsrecht des Urhebers zum Werkstück

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Ein urheberrechtliches Werk und die Rechte daran sind zweierlei. In vielen Fällen hat derjenige, der ein Werkstück besitzt, nicht automatisch die Rechte am Inhalt; praktisches Beispiel: wer eine DVD kauft, wird damit natürlich nicht zum Inhaber der Urheberrechte. Auch Museen und Galerien, die Kunstwerke ausstellen, können zwar Eigentümer des Werkes sein (eines Bildes oder einer Skulptur), verfügen aber in aller Regel nicht über die Urheberrechte, z.B. das Recht, ein Kunstwerk zu vervielfältigen (etwa ein Gemälde als Postkarte zu reproduzieren).

Umgekehrt muß der Inhaber der Urheberrechte nicht auch Inhaber der Werkes sein – ein Künstler kann z.B. die Urheberrechte an einem Gemälde oder an einer Komposition innehaben, das Werkstück aber kann Eigentum von jemand anderem sein: ein Gemälde ist in Privatbesitz, eine Partitur im Eigentum eines Musikvereines o.ä. Auch bei Filmen ist dies häufig der Fall: der Inhaber der Urheberrechte (oder zumeist der Produzentenrechte) hat oft kein Werkstück (Filmkopie, Filmnegativ, Sendeband etc.); solches Material kann in Kopierwerken, in Archiven oder sogar in privater Sammlung liegen.
Wenn der Rechtsinhaber sein Werk vervielfältigen will, muß er sich in solchen Fällen daher an den Inhaber des Werkstückes wenden. Zwar wird in den meisten Fällen eine Einigung darüber zu erzielen sein, wann und wie das Werk zugänglich gemacht wird; meist ist gegen entsprechendes Entgelt alles nötige zu erreichen. Es kann aber auch zu Streitfällen kommen, in denen sich der Rechteinhaber aber auf eine eigene Bestimmung des Urheberrechtsgesetzes stützen kann:
Pflichten des Besitzers eines Werkstückes.
§ 22. Der Besitzer eines Werkstückes hat es dem Urheber auf Verlangen zugänglich zu machen, soweit es notwendig ist, um das Werk vervielfältigen zu können; hiebei hat der Urheber die Interessen des Besitzers entsprechend zu berücksichtigen. Der Besitzer ist nicht verpflichtet, dem Urheber das Werkstück zu dem angeführten Zwecke herauszugeben; auch ist er dem Urheber gegenüber nicht verpflichtet, für die Erhaltung des Werkstückes zu sorgen.

Dieses Zugangsrecht ist nach herrschender Meinung unverzichtbar, und es geht, so wie das Urheberrecht selbst, natürlich auch auf die Rechtsnachfolger des Urhebers über. Die Geltendmachung des Zugangsrechtes stößt aber an gewisse Grenzen: das Gesetz sieht nämlich keine Verpflichtung vor, daß der mutmaßliche Besitzer des Werkstückes überhaupt Auskunft darüber gibt, ob er das Werk besitzt oder nicht. Bei Sammlungen oder Archiven, die nicht öffentlich zugänglich sind, wird sich das Vorhandensein eines Werkstückes in praxi nämlich nur schwer feststellen lassen.

Ein weiteres Problem stellt natürlich die Bestimmung dar, daß der Besitzer nicht zur Erhaltung des Werkes verpflichtet ist. Der Künstler muß mitunter dabei zusehen, wie sein Werk verfällt oder vernichtet wird, da über das Schicksal des Werkstückes nicht der Urheber, sondern der Besitzer bestimmen kann; vor ähnlichen Problemen steht der Denkmalschutz, da der Eigentümer eines denkmalgeschützten Gebäudes zwar keine Genehmigung zu baulichen Veränderungen oder zum Abriß bekommen wird, aber nicht daran gehindert werden kann, das Gebäude verfallen zu lassen (und vielleicht noch dazu beizutragen).

Beim Zugang zum Werkstück müssen die Interessen des Rechteinhabers und des Werkbesitzers abgewägt werden: die persönlichen Verhältnisse des Besitzers sind zu achten, die Gefahr einer allfälligen Beschädigung des Werkstücks ist zu berücksichtigen. Die Ausübung des Zugangsrechtes muß also schonendst bzw. mit der geringst möglichen Gefährdung für das Werk erfolgen (siehe hiezu u.a. die OGH-Entscheidung 4Ob 197/04f, in der es um ein bereits sehr fragiles Kunstwerk ging). Ist nämlich durch das Verfahren des Vervielfältigung eine ernsthafte Beschädigung zu befürchten, kann der Zugang verweigert werden.

Zu betonen ist, daß das Gesetz keinen Anspruch auf Herausgabe des Werkstückes, sondern nur auf Zugang einräumt. In solchen Fällen, wo z.B. die Überstellung eines Kunstwerks in eine Gießerei notwendig ist, wird man wohl eine Lösung nach Billigkeit finden müssen.

Alles oben gesagte gilt natürlich nur während des aufrechten Urheberrechtsschutzes, d.h. längstens binnen 70 Jahren nach dem Tode des Urhebers (oder der Urheber). Eine offene Praxisfrage stellt sich daher dort, wo die Urheberrechte bereits abgelaufen, d.h. gemeinfrei sind. Gemeinfreiheit eines Werkes bedeutet, daß niemand mehr Urheberrechte daran geltend machen kann, bzw. umgekehrt gesagt, daß die Rechte nunmehr der Allgemeinheit gehören („public domain“). Ein Anspruch der Allgemeinheit auf Herausgabe eines Werkes sieht das Gesetz jedoch nicht vor; damit kann der Fall eintreten, daß der Werkbesitzer – z.B. Inhaber einer alten Handschrift (Text, Musiknoten o.ä.) – die Herausgabe oder das Zugänglichmachen verweigert, ohne daß dagegen eine Handhabe besteht. Diese Situation kann vor allem für die kulturhistorische Forschung ein Hemmnis darstellen.

Passend zur geschilderten Rechtslage ist auf eine Entscheidung über den Ersatz für verlorengegangene Kunstleihgaben – etwa für Ausstellungen, aber auch bei Leihgabe zur Verfielfältigung denkbar – hinzuweisen (OGH 5 Ob 65/16v):
Kann der Leihnehmer die geliehenen Kunstwerke aus Verschulden nicht mehr zurückgeben, dann hat er dem Leihgeber den Verkehrswert zu ersetzen. Wenn der Leihnehmer später behauptet, es hätte sich bei der Leihgabe um kein Original, sondern um eine Fälschung gehandelt, so hat er das zu beweisen.