Faktencheck: Des Kaisers neue Kleider.

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Kaum ein sogenanntes Märchen eines selbsternannten Dichters sorgt aufgrund seiner fragwürdigen Message für manipulative Diskussionen wie die Geschichte von „Des Kaisers neuen Kleidern“. Wer Geschichten für Kinder schreibt, sollte auch dazu qualifiziert sein. Die Faktenchecker der Phalanx AFP-APA-Correctief entlarven hier endlich die falsche Moral, die seit der Erstausgabe des Märchens gelehrt wird.

Nach herkömmlicher Lesart handelt die Geschichte – stark gerafft – von zwei innovativen Webern, die dem Kaiser für angeblich teures Geld neuartige Textilien herstellen, welche jedoch bei ihrer erstmaligen öffentlichen Präsentation durch den Ausruf eines Kindes als inexistent gebrandmarkt werden; seither gilt das nicht kontextualisierte Zitat „Der Kaiser ist ja nackt!“ (ein literarisch verbürgter Fall früher Hatespeech, Resultat fehlender language compliance) unter Kleidungsleugnern als Schlachtruf und Geheimcode zugleich. Was ist dran an dieser Geschichte?

Zunächst: Die Weber bekamen für ihre Arbeit reichen Lohn. Aber würden sie tatsächlich viel Geld bekommen haben, wenn sie nichts geleistet hätten? Aufgrund des hier zitierten Märchens müssen nun Stiftungen, Parteien und gewisse Uni-Institute bis in die Gegenwart mit dem Vorwurf kämpfen, daß sie viel Geld bekämen und nichts leisten würden. Aber: Was viel kostet, muß doch auch viel wert sein! Man sieht also schon an diesem Detail, daß das gesamte Narrativ vom angeblich nackten Kaiser ganz einfach falsch sein muß.

Außerdem erhebt das Märchen den Manipulationsvorwurf, daß die Weber Kaiser und Hofstaat nur glauben gemacht hätten, Kleider zu sehen, indem die Weber ihnen eingeredet hätten, daß dumme Menschen die neuartigen Textilien nicht sehen könnten, folglich hätten Kaiser und Hofstaat, indem sie nicht als dumm gelten wollten, dieser Suggestion folgend Dinge zu sehen vorgegeben, die es gar nicht gegeben habe. Sofern Sie dieser Gedankenkette folgen können, werden Sie, da Sie ja nicht dumm sind, sofort erkennen, daß hier eine weitere manipulative Interpretation von den Tatsachen ablenken soll. Vielmehr ist es ja umgekehrt: Wir sind täglich mit dummen Menschen konfrontiert, die angeblich Dinge sehen, die es aber gar nicht gibt (Messermorde im Namen des Propheten, Nebenwirkungen angeblich experimenteller Therapeutika usw.).

Mit Kaiser und Hofstaat meinen diejenigen, die das Märchen für vordergründige, tagespolitische Zwecke mißbrauchen, natürlich politische Führungskräfte auf höheren und höchsten Ebenen. Und auch dadurch entlarvt sich die fragwürdige Moral des Märchens als falsch. Denn es mag zwar sein, daß früher einmal Kaiser und Könige irrten, aber demokratisch mehr oder weniger gewählte Repräsentant*Innen irren nie (außer Donald Trump), wie Ihnen die Leitmedien seit den ersten Tagen der Prawda immer wieder bestätigen.

Und: Wer tätigte laut Märchen den Fake-News-Ausruf „Der Kaiser ist ja nackt!“? Ein Kind. Klar: Damals gab es keine Kitas und kindgerechte Informationsprogramme, die den Kids dabei halfen, die Welt richtig zu sehen. So konnte es damals passieren, daß Kinder Querdenker-Thesen, die sie zuhause in hetero-binären Verhältnissen (Mutter und Vater als Identifikationsfiguren!) aufgeschnappt hatten, einfach nachschwurbelten.

Es zählt außerdem natürlich schon lange zu den reaktionär-manipulativen Tricks, Zitaten durch falschen Kontext einen anderen (falschen) Sinn zu geben. Beim Zitat „Der Kaiser ist ja nackt!“ handelt es sich nach der gängigen Lesart „um den Ausruf eines Kindes“. Richtig gelesen handelt es sich aber nur um den Ausruf eines Kindes. Also um eine Mindermeinung. Die Mehrheit sah ja doch die neuen Kleider, und die Mehrheit hat eben recht.

Der verbreitete Text ist somit eine komplette Falschbehauptung.

Fazit: Die „traditionelle“ Interpretation des genannten Märchens ist eindeutig verschwörungsreaktionäre Desinformationshatespeech von querschwurbelnden Fakenewstheoretikern mit Aluhut und ist hiermit widerlegt.

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe: Soziale Konstrukte – Warum Sie sich Ihr Geschlechtsteil tatsächlich nur einbilden.

Cum copia salis: MS.
(Stand: 11.11.2022)