Für alle, die den „Grundrechtetag der österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte“ am 27. Juni 2022 an der Wirtschaftsuniversität Wien versäumt haben, hier eine kurze Zusammenfassung:
– Mit der Verfassung ist alles in Ordnung.
– Der Verfassungsgerichtshof arbeitet brav.
– Es gibt keine Verfassungsbrüche.
Wir haben uns also alle zwei Jahre lang geirrt. Wir haben uns natürlich auch beim angekündigten Dialog geirrt, weil es kein Dialog war, sondern nur die Möglichkeit, submissest Fragen anzubringen, die dann in einem Argumentationsslalom nicht einmal ausweichend, sondern im Effekt gar nicht beantwortet wurden. Nachfragen nicht vorgesehen. Und wer zu oft die Hand zur Anmeldung von Fragen hob, wurde glatt als störend empfunden.
Außerdem ist die sogenannte Covid-„Pandemie“, aus Sicht der Verfassungsrechtler, einer Naturkatastrophe gleichzusetzen, der man eben mit verfassungskonformen Mitteln nicht beikommen könne. Außerdem: Die Regierung hätte ja sogar den Notstand ausrufen können, und das hat sie eh nicht getan. (Wie, bitteschön, definieren die Herrschaften dann einen Notstand? Erinnert sich jemand an „Lockdown“ I – III?)
Und das Beste: Gerade bei unsicherer Tatsachenlage habe die Regierung sogar einen größeren Ermessensspielraum. Wenn die Regierung also schlampt und die tatsächlichen Daten nicht erhebt (weil sie sie nicht erheben will), darf sie zur Belohnung sogar noch strenger durchregieren. Verfassungsrechtlich alles in Ordnung! (Oder war es kriegsrechtlich?)
Schließlich sprach dann noch die Präsidentin der Richtervereinigung ernsthaft von Möglichen (weiteren) Einsparungen am Justizsektor, weil man sich überlegen müsse, welche Verfahren nicht vielleicht „ein Luxus“ (sic!) seien, den man sich vielleicht sparen könne. (Frage: Sind nicht solche Präsidentinnen ein Luxus?)
Un Ballo in Maschera.
Im letzten Akt des „Grundrechtetages“ trifft ein Präsident des Verfassungsgerichtshofes (Name auf Wunsch beim Portier) mit blitzblauer FFP2-Staubschutzmaske zum Vortrag ein, legt sie erst kurz vor seinem Vortrag ab und, konsequent, sofort nach Ende wieder an. Ist dies eine Frage des Gesundheitsschutzes oder ein politisches Statement? Das bedeutet eben, „doß Pandemie is“. Punctum. Will meinen, über die Frage, ob der Covidl wirklich eine Bedrohung von nationaler Tragweite war (die Belegungszahlen der Krankenhäuser und die Sterbezahlen geben dies ja nicht her), wird gar nicht erst diskutiert, das ist eben so. Ende der Debatte.
An den Randbemerkungen sollt Ihr Sie erkennen!
Eine Vortragende merkt am Rande zu ihrer Informationslage an, sie „sehe ja auch nur fern“ (und meint damit sicher nicht ServusTV). Das bedeutet, Ihre Sicht der Lage hängt an den Informationen der Systemmedien, die bekanntlich stramm im Gleichschritt mit den Regierungen marschieren. Mit anderen Worten: Hier fehlt es nicht nur an Basiswissen, sondern an kritischer Distanz und der grundlegenden Bereitschaft, sich überhaupt mit anderen Daten und Meinungen auseinanderzusetzen. Und aus solcher Perspektive wird die Verfassungsmäßigkeit von Freiheitsbeschränkungen und Impfzwang beurteilt!
Auf die Frage, wie sich der Bürger mit dem Covidl-Verordnungswahnsinn (über 20 verschiedene Verordnungen mit weit über 100 Novellen, d.h. Fassungen) auskennen soll, wurde uns beschieden, daß die Ministerien eh ihr bestes tun und daß man das verstehen müsse, weil die haben’s ja so schwer. Und den geltenden Verordnungstext müsse sich der Bürger eben aus den Bundesgesetzblättern selber zusammenklauben, wenn die Ministerien schon unfähig sind, eine sogenannte „konsolidierte Fassung“ herzustellen. Danke, das genügt.
Einzig Kollege Dr. Noll erkannte, worauf Willkür und Intransparenz hinauslaufen: „Wenn ein Bürger sich bei einer Behörde oder bei Gericht am Amtstag erkundigt und er konsultiert noch zusätzlich einen Rechtsanwalt, weil er der Behörde oder dem Gericht nicht (mehr) vertraut, dann läuft im Rechtsstaat etwas schief!“ Deutlicher konnte man ein Bild eines Staates, der sich mit Begeisterung delegitimiert, nicht zeichnen.
MS
(Stand: Juli 2022)