Zum Musik-Plagiat – Streit um des Kaisers Baß.

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Am 04.07.2018 meldeten die MedienUniversal Music habe Plagiatsvorwürfe gegen die Schöpfer der  Eurovision Song Contest-Siegernummer „Toy“ erhoben. Der konkrete Verdacht: für „Toy“ habe man sich bei der Nummer „Seven Nation Army“ der Gruppe White Stripes bedient. „Es gehe dabei um Ähnlichkeiten im Rhythmus, nicht in der Melodie oder beim Text“, berichtete orf.at.

Für die Beurteilung des Sachverhaltes wird man als rein rechtlich gebildeter Anwalt bald an gewisse Grenzen stoßen; etwas musikalisches Grundverständnis schadet keineswegs, sondern erscheint geradezu als Voraussetzung, will man sich hier ein juristisches Urteil bilden.

Die zitierte Pressemeldung klingt sensationell, der Fall selbst ist aus Sicht der Urheberrechts aber nicht sehr brisant. In der Tat ist in der lauten und wenig originellen Nummer „Toy“ eine Baßlinie auszumachen, die stark an jene von „Seven Nation Army“ erinnert. Eine völlige Kopie oder gar ein Sample liegt aber ganz eindeutig nicht vor. Freilich, in „Toy“ wird in ähnlichem Rhythmus dieselbe Tonfolge bemüht wie in der Baßlinie von „Seven Nation Army“, aber hier gleich von einem Plagiat zu sprechen, wäre schon ausgesprochen kühn.

Die Sache erinnert frappant an das Skandälchen, als der US-Rapper Vanilla Ice 1989 für die Nummer „Ice Ice Baby“ ganz einfach die Baßlinie der Queen/David Bowie-Nummer „Under Pressure“ (1981) unverändert übernahm (oder, nach Angaben auf wikipedia, sogar ganz unverschämt als Sample aus der Originalaufnahme entnahm). Logische Konsequenz war eine Klagsdrohung von Bowie und den Queen-Mannen, nach der man sich aber bald außergerichtlich einigte – was speziell in urheberrechtlichen Belangen häufig geschieht und im Englischen so schön „settled out of court“ heißt: Vanilla Ice kaufte die Rechte an „Under Pressure“, anstatt Queen und Bowie an den Tantiemen zu beteiligen. Damit war die urheberrechtlich eindeutige Angelegenheit erledigt.
Die interessante Frage, ob bereits eine charakteristische Baßlinie eigenständig urheberrechtlichen Schutz genießen kann, blieb damals leider ungeklärt. Für „Toy“ wäre aber gerade diese Frage von Interesse.

Der Vergleich der Sachverhalte von „Toy“ und „Under Pressure“ alias „Ice Ice Baby“ zeigt, daß die beiden Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Das „Under Pressure“-Sample war nicht nur unwesentliches Beiwerk, sondern sogar ein charakteristisches Merkmal der Nummer „Ice Ice Baby“ (um dies zu beweisen, bräuchte man lediglich das Sample zu entfernen; was von „Ice Ice Baby“ übrigbliebe, wäre wohl nicht der Rede wert und schon gar nicht Grundlage für einen kommerziellen Musikhit). Während also Vanilla Ice nicht nur Tonfolge und Rhythmus eines anderen Werkes nachspielte, sondern durch Übernahme der Originalaufnahme zudem auch noch in fremdes Leistungsschutzrecht eingriff, basiert „Toy“ auf wenig originellen, aber völlig anderen Ideen, bei denen die inkriminierte Baßlinie nur untergeordnete Bedeutung hat und völlig austauschbar erscheint.

Man darf annehmen, daß sich mit Nachrichten wie jener vom Plagiatsvorwurf gegen „Toy“ (der, gemessen an der Medienpräsenz der Song-Contest-Gewinner außerdem reichlich spät kommt) lediglich das kommende Sommerloch ankündigt, in dem auch Zeitungsenten und andere Nichtigkeiten willkommene Ablenkungen bieten.

 

Stand: Juli 2018
MS